Erinnerungen an meine Kinder- und Jugendjahre in der Elchniederung Kallningken/Herdenau und Kaukehmen/Kuckerneese

 Ich, Karl E. Unvericht, wurde in Kallningken (in meinem amerikanischen Passport steht Herdenau) am 16.Mai 1926 geboren und lebte dort mit meinen Eltern und meinem Bruder Horst bis zu unserem Umzug nach Kaukehmen/Kuckerneese im November 1933. Mein Bruder Horst geb. am 20.Januar 1923 verstarb am 23.11.2005 in Kelkheim / Ts. Mein Bruder Hans-Georg geb.am 7.Januar 1925 verstarb im Alter von 8 Monaten und ist auf dem Friedhof in Herdenau begraben. Meine Schwester Annemarie, verh. Voss, wurde am 6.Juni 1936 in Kaukehmen/ Kuckerneese geboren und lebt jetzt in Kelkheim/Ts. Die einzigen im Ort vorhandenen Friseur- und Bäckergeschäfte wurden von meinen Vater als Friseurmeister und meiner Mutter als Geschäftsfrau der Bäckerei mit einem Bäckergesellen betrieben. Meine Mutter belieferte mit eigenem Pferd und Wagen die umliegenden Dörfer, bis nach Inse mit den Backwaren. Herr Mitzkat, der im Dorf ein sehr großes Grundstück besaß, war auch der Vermieter für Wohnung und Geschäft meiner Eltern. Herr Mitzkat besaß in einem recht stattlichen Steinbau eine Gastwirtschaft mit Saal, außerdem wohnten dort der Arzt Dr. Weiss mit seiner Praxis und der Tierarzt Dr. Meier, rechts von diesem Bau waren zwei große Holzhäuser. Die Bewohner des ersten Hauses waren: Schuster Neumann, Hebamme Dombrowski (zeitweise), der alte Junggeselle Batschkus, über 90 Jahre alt, damals 1930 erschien uns das uralt, er war ein wahres Unikum, das konnte ich sogar als Schulanfänger feststellen. Zur Hofseite wohnten die Nachtwächter Enstip (Vater und Sohn mit Frau und Tochter Lehnchen, die ca.1919 geboren sein muss). Jede Nacht konnte man die Nachtwächtersprüche zur vollen Stunde hören. Heute liest man so etwas nur noch im Märchenbuch. Im zweiten großen Holzhaus waren die Geschäfte meiner Eltern. Dort wohnten auch die Schneiderinnen Fehlau und die gute Dorchen Stascheit, auch ein Unikum, die wir später nach der Flucht im Allgäu, im Nachbardorf Wildpoldried, fanden. Diese zwei Häuser waren genau gegenüber vom Friedhof und der schönen Kirche. Links vom Stammhaus Mitzkat waren eine Kohlenhandlung, Ställe, eine große Waschküche, mehrere Toiletten- Häuschen (Plumps-Toilette), WC kannten wir damals nicht, dann eine Getreidemühle, alles Besitz Mitzkat. Die ganze Familie waren feine Leute. Die zweite Gaststätte war Völkner, der später auch einen Saal baute, vermutlich für Versammlungen, wie im dritten Reich üblich. Zeitweise wohnten wir von Anfang 1929 bis Anfang 1933 bei Schneider Margies. Gegenüber war ein sehr oft besuchter Schießstand, später wurde dort das weibliche RAD-Lager errichtet. In dem benachbarten roten Ziegelbau begann ich 1932 mein erstes Schuljahr bei Frl. Niederstrasser. Schulleiter war Herr Kiupel. Im Haus von Tier-Heilpraktiker Ruddies, Nachbarhaus von Gastwirt Völkner, wurden zwei Schulklassen von Herrn Riegert unterrichtet. In diesem Haus befand sich auch das Kleidergeschäft Laatsch, weiter in der Straße nach Lappienen waren die Drogerie Huwe, Schneider Prange (Helmut Prange geb.1925 war mein Spielgefährte), Tischlerei Hinz. Dessen Sohn zeigte uns zum ersten Mal in unserem Leben einen Film auf Leinwand!!! Gegenüber der Schule von Lehrer Kiupel war das Wohnhaus Szog, Ulrich 1926 und Hilmar 1927 geboren waren lange meine Spielgefährten. Mit Ulrich habe ich bis zum heutigen Tage noch Verbindung, zweimal hat er mich in meinem Haus in den USA besucht. Ulrich wohnt in Hamburg, eine treue Seele! Dann kam das Postamt, an Namen erinnere ich mich Behnke, Nienke, Trunschel, Reisgies/Sahmel. Reisgies verzog später nach Kuckerneese, ebenso auch Familie Szogs. Natürlich erinnere ich mich an die großen Viehherden von Otto Buskies, aber besonders beeindruckte mich damals das große Personenauto, sechssitzig mit abnehmbaren Verdeck. Aber unsere Verbindung zur Außenwelt war die Kleinbahn (Schnieffke- oder Bimmelbahn). Im Bahnhaus wohnten Rinas und Zahnarzt Skopnick. Die Polizisten waren Goldbach und Hille. Familie Goldbach verzog später nach Tilsit, meine Eltern hatten noch lange Verbindung zu ihnen. Am 30. Januar 1933 (ich erinnere mich ganz gut) wurde mit einem Fackelzug und Scheiterhaufen auf der Pfarrwiese der Grundstein für das später folgende Elend und den Verlust der Heimat gelegt. So mussten wir alle, bei den meisten unter schwierigsten Umständen, uns eine neue Bleibe suchen, verteilt auf ganz Deutschland, sogar in verschiedenen Ländern und auch anderen Erdteilen. Mein Vater kaufte im November 1933 in Kaukehmen/Kuckerneese am Marktplatz 7 den größten am Platze vorhandenen Damen- und Herrenfrisiersalon, wo er auch Obermeister der Friseurinnung Elchniederung wurde. Herdenau habe ich später ab und zu mit dem Fahrrad besucht. Vielleicht kann ich später auch über meine Jugendzeit in Kuckerneese von November 1933 bis Oktober 1943 berichten. Während dieser Zeit habe ich als Sportler, speziell als Leichtathlet, an vielen Turnieren teilgenommen. Im Weitsprung war ich Gaumeister von Ostpreußen (mein Vater war es 1919). Meine Bestleistung bei diesen Turnieren war im Weitsprung 7,22m; meine Bestleistung im 100m-Lauf waren 10.9 Sek. Vom 12. Oktober 1943 bis 10.Januar 1944 RAD in Ruß, vom 25.Januar 1944 als Grenadier in Gumbinnen, Ostfront-Einsatz, Verwundung Ersatztruppenteil Ingolstadt, am 8. Mai 1945 Kriegsende und in amerikanischer Gefangenschaft, entlassen 31.7.1945 ins Allgäu, wo meine Mutter bei Kempten evakuiert war. Ab 1950 Arbeit auf Rhein-Main Flughafen Frankfurt/M. Ab 15.Oktober 1950 Beginn Laufbahn Deutsche Lufthansa, 1954 bis 1960 LH Hamburg. Übrigens 1951 in Frankfurt geheiratet, 3 Söhne geboren, 1953 und 1955 in Hamburg und 1959 in Frankfurt/Höchst. 1958 versetzte mich die Lufthansa für kurze Zeit nach New York, dann 1960 nach Tucson/Arizona als Administrations- und Business-Manager zum LH-Jet-Flugtraining, 1970 in gleicher Position zur LH-Fliegerschule- Außenstelle nach Phönix-Goodyear, wo ich mit 65 Jahren im Mai 1991 in Pension ging. Diese Fliegerschule existiert heute noch. Wir blieben hier in Arizona/USA wohnen, weil alle Familienmitglieder amerikanische Bürger geworden sind und natürlich 5 Enkel und 5 Urenkel in Arizona geboren wurden und auch hier wohnen.

Kurt E. Unvericht 8965 W. Sierra Pinta Drive Peoria/AZ.85382-8693 Tel: v. Deutschland:001/623/566-4643 E-Mail: deucekm@cox.net
Aus Heimatbrief Nr. 53 von Pfingsten 2011: Kinder- und Jugendjahre in Herdenau und Kuckerneese von Karl. E. Unvericht (USA)