Karkeln

Karkeln heißt heute Myssowka (Мысовка) und ist ein Dorf im Rajon Slawsk (Oblast Kaliningrad (Russland)), früher im Kreis Niederung der Provinz Ostpreußen.
Heute ist das Dorf Ortsteil von Prochladnoe (Herdenau). Der Ortsname Karkeln leitet sich von prußisch karklis ab und bedeutet Wasserweide/Weidendickicht.

Orte des Kirchspiels Karkeln gegr. 1622

Ortsname ab 1938

Ortsname vor 1938

Einwohner 1939

Ibenwerde

Ackminge

73

Karkeln mit Parungaln

Karkeln mit Parungaln

885

Gesamt  2

 

960

Karkeln war eines der schönsten und wohlhabendsten Orte am Kurischen Haff. Im Volksmund nannte man Karkeln „das Kurische Venedig“. Etwa 900 Einwohner zählte der Ort, die überwiegend vom Fischfang, der Landwirtschaft, vom Handel, Gewerbe und Handwerk lebten. Der Karkelstrom, der aus dem Labb und Graßderfluß entstanden ist, war wasserreich, tief und mündete ins Kurische Haff. Zu beiden Seiten des Stromes standen die Häuser, davor die im Sommer üppig blühenden Blumengärten. Die erhöhte Dorfstraße, gleichzeitig als Schutzdamm gebaut, bewahrte die Häuser und Gärten im Frühjahr und Herbst vor Hochwasser. Das Vorland am Strom (es wurde „Damm“ genannt) war am Ufer mit Faschinengeflecht und Eichenpfählen befestigt. Dort ankerten die vielen Fischerkähne des Ortes, deren holzgeschnitzte Kurenwimpel am hohen Mast das Karkelner Emblem zeigten: zwei weiße Rechtecke auf rotem Grund.Karkeln-Bahnhof Auf den Dämmen standen „Ricken“ (hohe, lange Pfahlgestelle), auf welchen die Fischer ihre Netze nach dem Fang zum Trocknen und Ausbessern aufzogen. Nach der Heuernte wurden aus Platzmangel in Stall und Scheune viele hohe Heuhaufen auf das Vorland gesetzt. An jedem Freitag war Wochenmarkt, zu dem sich auch viele Nehrungsfischer einfanden. Die Karkelner Geschäfte hatten einen guten Absatz. Für die Herstellung ihres ausgezeichneten „Tilsiter Käse“ war die moderne Molkerei in Karkeln besonders bekannt. Die gute Verbindung von Karkeln nach Groß Brittanien mit der Kleinbahn, die 1906 gebaut wurde, später auch mit dem Bus und Lastwagen nach Tilsit und Königsberg, ermöglichten einen schnellen Absatz der Waren, insbesondere der Fische.

In den dreißiger Jahren wurde Karkeln zum Musterdorf ernannt. Durch den Bau der schönen und großzügigen Jugendherberge, die den Namen „Elchniederung“ erhielt, fanden viele Feriengäste den Weg in unseren Ort. (Durch Fahrlässigkeit brannte die Jugendherberge 1942 nieder). Die täglichen Dampferfahrten zur Kurischen Nehrung, oft auch mit Schulklassen aus der Umgebung und Tilsit, brachten fröhliches Leben ins Dorf. Der Fremdenverkehr blühte! Ganz besonders beliebt war bei den Einheimischen und Gästen in den Sommermonaten „der Weinberg“, eine Badeinsel im Haff, kurz vor der Stromeinfahrt von Karkeln. Sie war umgeben von Rohr, Schilf und Binsen. Mit Motor- und Ruderbooten zog man vorbei an abertausenden von gelben Mummeln und Seerosen. Die dem Haff zugewandte Seite der Insel bot durch größere Sandablagerungen einen herrlichen Badestrand.

Wie kam Karkeln zu seinem Namen? Es ist anzunehmen, da die ersten sesshaften Siedler nach den von den Elchen sehr begehrten Weiden, den so genannten „Karkle“ oder „Karklienes“, benannt wurden. Aus einer alten Urkunde von 1660 geht hervor, da der Große Kurfürst einem Wirt drei Hufen Land oberhalb des Stromes in „Karkeln“ zugeteilt hat, woraus dann der Ortsname „Karkeln“ entstand. Bei Abgrabung eines Hügels zum Deichbau fand man 1905 zwei Einbaumboote und eine Steinaxt, die darauf schließen lassen, da dort schon zur Steinzeit Menschen gelebt haben. Ein Segen für unsere Heimat war der Deichbau! Nach dem Bau des hohen Dammes über Krauleiden- Kallningken- Karkeln nach Ackmenischken im Jahre 1896 wurden im gleichen Jahre an den Mündungen der größeren Flüsse sechs Schöpfwerke fertiggestellt. Um diese sechs Schöpfwerke mit elektrischer Energie versorgen zu können, wurde in Trammischen eine Zentralstation gebaut, und zwar dort, wo die Chaussee Kallningken-Karkeln die Deichlinie überquerte. Diese Lage wurde gewählt, weil die tief gehenden Kohlenschiffe in Karkeln anlegten und gelöscht werden konnten. Mit einer Schmalspurbahn wurde die Kohle zur Zentrale gerollt. Die Eindeichung der Gemeinde Karkeln erfolgte in den Jahren 1905/06. Die eingedeichte Fläche von Karkeln/Süd betrug etwa 500 ha und die von Karkeln/Nord 250 ha. Mit der Eindeichung blieb auch die Überflutung der Ländereien aus, und der Getreideanbau sowie die Viehhaltung wurden rentabel. Die Gemeinde Karkeln grenzte auf einer Lnge von fast 25 km an das Kurische Haff und hatte eine nutzbare Gesamtfläche von rund 2000 ha. Das erste Schulgebäude in Karkeln wurde aus Riegelwerk und Holz erstellt und beherbergte auch den Pfarrer aus Ruß, der in Karkeln Gottesdienst hielt. 1880 wurde das dreiklassige Schulgebäude in rotem Ziegelbau am Kirchendamm gebaut, welches auch Platz für drei Lehrerwohnungen bot (Die Schule ist auch heute noch in einem gutem Zustand und wird als Kindergarten genutzt). Jugendherberge in KarkelnDie erste Kirche in Karkeln wurde 1680 aus Holz und Lehm gebaut und mit einem Rohrdach versehen. Als diese Kirche niederbrannte, wurde 1760 ein Gotteshaus aus Stein errichtet.

Karkelner Fischer und Wirte holten die Steine von einer verfallenen Burg aus der Ordensritterzeit an der „Windenburger Ecke“ – im Winter mit Schlitten, im Sommer mit Kähnen -. Sogar ein Teil der Kirchenkanzel wurde gerettet und fand in der neuen Karkelner Kirche Platz, die 1772 eingeweiht wurde. 1900 ist die Kirche durch den Anbau eines Altarraumes und eines Glockenturmes erweitert worden. Weithin grüßte noch der Glockenturm, als die Zivilbevölkerung am 13. Oktober 1944 Karkeln verlassen mute. Heute steht an dieser Stelle ein Volkshaus, und der Friedhof ist eingeebnet. Bürgermeister Michael Mainus aus Karkeln schreibt in Band I „Der Kreis Elchniederung“ u. a. (Seite 386): „Am 20. Januar 1945 verließen Wehrmacht und Volkssturm Karkeln. Die Pioniere brachten die im Ort lagernden Wasserminen zur Explosion, wobei unser schönes Dorf schrecklich verwüstet wurde, indem 25 Wohnhäuser abbrannten und die anderen schwer beschädigt wurden.“
Ruth Beck-Kelch Kirchspielvertreterin

Entnommen aus dem Bildband „Die Kirchengemeinde Karkeln Kreis Elchniederung“ herausgegeben von der Kreisgemeinschaft Elchniederung e.V.