Kreuzingen
Auf der “Landtafel von Preußen“, die der bedeutende Kartograph Kaspar Hennenberger 1576 herausgab, war das Gebiet des späteren Kirchspiels Skaisgirren/Kreuzingen noch eine fast unbewohnte Fläche. Dort dehnte sich ein dichter Wald aus, der einige Jäger und Holzfäller anzog. Durch diesen Wald führte ein Weg, der die Nummer 43 trug und erstmals 1384 urkundlich erwähnt wurde. Er verband die beiden Burgen Labiau und Ragnit, die der Ritterorden dort hatte errichten lassen.
Erst ab Ende des 16ten Jahrhunderts wurde dieses Gebiet langsam besiedelt, und auf den gerodeten Flächen wurden Dörfer gegründet. Skaisgirren war die zweitälteste Siedlung in dieser Gegend. Der Ort wird erstmals 1583 genannt. In einer Urkunde aus diesem Jahr heißt es: “In Skeisgirn wohnet einer mit Namen Domasch. Zinset jährlich 5 Mark Geld und einen Marder oder aber 1 Mark 15 Schilling Mardergeld.“
Bald kamen mehr Kolonisten hinzu. Sie haben weitere Flächen urbar ‘und nutzbar gemacht. Denn etwa um 1600 mussten schon Steuern für 15 Hufen brauchbaren Landes gezahlt werden. Wenn man davon ausgeht, dass eine Hufe Land ca. 30 Morgen umfasst, so war das eine Fläche von Evangelisch-Lutherische Freikirche von Sachsen Gebaut 1925112,5 Hektar. Weitere Siedler kamen hinzu, auch welche aus Litauen. Sie rodeten mit großem Fleiß immer mehr Flächen, so dass sich der Ort weiter ausdehnte und auch andere Dörfer in der Umgebung entstanden. Einem Bericht von 1662 ist zu entnehmen, dass in dem Gebiet des späteren Kirchspiels Skaisgirren/Kreuzingen schon Dörfer mit insgesamt 77 Hufen angelegt waren. Dazu gehörten u.a. Georgenheide, Vielbrücken, Gründann, Kripfelde und Wartenhöfen.
Weitere Ansiedlungen wurden durch das von dem Großen Kurfürsten erlassene Köllmische Recht gefördert. Hierdurch erhielten besonders Privilegierte oder Adlige große Landflächen als Privateigentum übertragen. In der Folgezeit wurden Wege und Straßen gebaut und dadurch das ganze Gebiet erschlossen. Dies wiederum zog Geschäftsleute an, die sich dort niederließen, um die Bedürfnisse der Bevölkerung abzudecken. So entstand allmählich ein auf die damalige Zeit bezogener bescheidener Wohlstand.
Einen wirtschaftlichen Aufschwung brachte die Eröffnung der Bahnstrecke Königsberg-Tilsit, deren letztes Teilstück am 01.10.1891 in Betrieb genommen wurde. Damit war eine schnelle Verbindung für den Personen- und Güterverkehr geschaffen worden. Auch die Kleinbahnstrecke Kreuzingen-Insterburg trug dazu nutzbringend bei. Ein weiterer verkehrsmäßiger Vorteil für Kreuzingen war der, dass hier sechs Fernstraßen kreuzten, wodurch der Ort von allen Seiten leicht erreicht werden konnte. Er lag in der südöstlichen Ecke des Kreises Elchniederung und grenzte an die Nachbarkreise Labiau, Insterburg und Tilsit-Ragnit.
Durch die hervorragende Lage im Verkehrsnetz entwickelte sich KreuzingenMarktstraße vom Getreidemarkt aus gesehen zu einem Hauptmarktplatz. Dort war der größte Wochenmarkt von ganz Ostpreußen und der größte Ferkelmarkt vom ganzen damaligen Preußen. Schon in der Nacht zum Donnerstag – dem Markttag – rollten die Fischerwagen aus den Haffdörfern und Gemüse- und Kartoffelwagen aus dem Großen Moosbruch heran. Auf anderen Fahrzeugen wurden Ferkel transportiert. Die genannten Waren wurden auf dem 13 Morgen großen Schweinemarkt angeboten. Dort fand auch an einigen Tagen im Jahr der Vieh- und Pferdemarkt statt. Durchschnittlich wurden 300 Rinder und Pferde aufgetrieben.
Für weitere Erzeugnisse standen der Getreide- und der Buttermarkt zur Verfügung. Beide Märkte hatten eine erhebliche Ausdehnung, so dass es verständlich erscheint, dass nach amtlicher Schätzung an jedem Donnerstag 1000-1500 Fuhrwerke im Ort untergebracht werden mussten. Sie füllten alle Straßen und Plätze sowie die Höfe der Gaststätten. An jedem Markttag wurden durchschnittlich 500-600 Ferkel zum Verkauf angeboten Sie wurden von Händlern aufgekauft und überwiegend mit der Bahn nach Schlesien, Pommern und Brandenburg versandt. Ebenfalls wurden an diesem Tag 100 bis 120 Zentner Butter und 100 bis 120 Kisten Eier zu je 600 Stück aufgekauft, um sie Verbrauchern in den Städten zuzuführen.
An einem anderen Tag der Woche erfolgte an der 250 Meter langen Rampe des Bahnhof Kreuzingen die Verladung von fetten Schweinen, Läuferschweinen sowie von Schlachtvieh. Durchschnittlich waren es 36 Waggons, die u.a. nach Berlin und Sachsen gingen. Die überwiegend kleinbäuerlichen Betriebe der Umgebung hatten sich auf Schweinezucht und Schweinemast konzentriert.
i diesem regen Geschäftsleben waren auch andere Branchen gefragt. So gab es in Kreuzingen drei Hotels, vier Gaststätten mit Übernachtungsmöglichkeiten, zwei Cafes zwölf Kolonial-, Eisenwaren-, und Lebensmittelgeschäfte, eine Landmaschinen-Großhandlung, fünf Textilgeschäfte, Kürschner, Geschäfte für Fleisch- und Wurstwaren, zwei Gärtnereien, Frisöre, andere Handwerksbetriebe, drei Arzte, drei Zahnärzte, einen Tierarzt einen Apotheker und drei Rechtsanwälte. Am Ort waren auch ein Amtsgericht mit Kaluse, ein Postamt, eine SparkassDer Bahnhof von Kreuzingene und eine Bank sowie eine Molkerei. Die größten Arbeitgeber von Kreuzingen waren die Kreuzinger Mühlenwerke, die Neidenburger Mühlenwerke, die aber schon zu Wartenhöfen gehörten, und die Eierzentrale etwa seit 1936.
Kreuzingen hatte eine Freiwillige Feuerwehr, die als erste im Kreis Elchniederung eine Motorspritze besaß. Etwa 1905 erhielt der Ort sein erstes Stromnetz.
Das kulturelle und Vereinsleben erlangte unter der Leitung von Rektor Schillak eine große Bedeutung. Auf seine Initiative wurde 1922 das erste Gauturnfest nach dem ersten Weltkrieg in Kreuzingen mit großem Erfolg durchgeführt. Auch den Sängerverein mit seinen rund 40 Aktiven dirigierte er von 1912 bis 1938 und machte ihn weit über die Kreisgrenzen hinaus bekannt. So nahm der Verein auch an den Bundessängerfesten in Hannover, Wien und Breslau teil. An Schulen gab es eine Mittelschule, die in privaten Räum untergebracht war und eine siebenklassige Volksschule. Die alte stammte aus dem Ende des 18ten Jahrhunderts. Sie diente ab Ausgang 1938 als Gemeindeamt. Eine neue, sehr moderne Schule nahm im November 1938 ihren Betrieb auf. Die Bevölkerung in und Kreuzingen war fast ausschließlich evangelischen Glaubens. Seit 1693 gab es am Ort eine Kirche. Eine weitere wurde später (um 1925 für die Evangelisch-Lutherische Freikirche gebaut) an der Neuen Straße errichtet. Wie in der ganzen Elchniederung gab es auch hier Freikirchen, Sekten und religiöse Gemeinschaften, die nie der Landeskirche angehörten. Da gab es u.a. den Bund freier Christen, die Baptisten, Evangelische Gemeinschaft, die Neuapostolische Gemeinschaft, wenige Sabbatisten, Adventisten und die Zeugen Jehovas.
Im geschichtlichen Rückblick bleibt festzuhalten, dass sich ein Teil des französisch-preußischen Krieges von 1806/07 in Ostpreußen abgespielt hat. So kam im Juni 1807 Napoleon Bonaparte mit einem Teil seiner Truppen nach Kreuzingen. Die Kirche diente als Pferdestall, und Napoleon selbst wohnte im gegenüberliegenden Pfarrhaus. Das Zimmer wurde danach das Napoleonzimmer genannt. Sein Weg führte dann nach Tilsit, wo Anfang Juli 1807 auf einem Floß auf der Memel der Friede zu Tilsit unterzeichnet wurde.
Nach Ausbruch des ersten Weltkrieges drangen russische Truppen auch in Kreuzingen und Umgebung ein. Sie blieben dort etwa vom 27.08. bis 08.09.1914 und nahmen bei ihrem Rückzug Männer mit, die zum Teil erst 1919 oder 1920 aus Sibirien zurückkehrten. Andere kamen nie wieder.
Kreuzingen hatte 1939 2256 Einwohner. Im Zuge der Umbenennung aller Ortsnamen mit litauischem Klang wurde aus Skaisgirren am 1Das Amtsgericht in Kreuzingen und ev. Kirche6.07.1938 Kreuzingen. Das Kirchspiel umfasste 38 Dörfer und war mit 9019 Einwohnern nach der letzten Volkszählung vom 17.05.1939 das größte Kirchspiel des Kreises Elchniederung.
Im Herbst 1944 zeichnete sich auch für die größten Optimisten die Katastrophe ab. Die Rote Armee rückte bis zur Memel vor. Da kam Anfang November 1944 die Erlaubnis zum Räumen. Viele haben das Ende der Flucht aber nicht erlebt. Die anderen wurden in alle Winde zerstreut und fanden schließlich eine neue Heimat. Jahrzehnte wusste man nichts über das Schicksal von nächsten Nachbarn. Einige gelten noch immer als verschollen.
Kreuzingen und Umgebung habe ich zum ersten Mal 1991 wiedergesehen, weil vorher eine Einreise verweigert wurde. Der Ort selbst und auch die umliegenden Dörfer haben ihr früheres Aussehen verloren. Die Hauptstraße mit ihren Geschäften wurde schon beim Einmarsch der Roten Armee am Abend des 19.01.1945 durch Granaten weitgehend zerstört. Hier schlug ihnen Widerstand entgegen, weil deutsche Truppen so lange wie möglich die Zu- und Abgangsstraßen für sich und die Flüchtlinge offen halten wollten. Anderes ist später zerstört oder beschädigt und damit dem Verfall preisgegeben worden. Das Land ist versteppt und wird nur zu einem geringen Teil bearbeitet. Es ist nicht leicht, sich heute da zurechtzufinden, auch wenn man dort aufgewachsen ist.
Kirchspielvertreter Herbert Schneidereit Projensdorfer Straße 100 24106 Kiel
Aus „Die Kirchengemeinden Kreuzingen und Gowarten, Kreis Elchniederung“, herausgegeben von der Kreisgemeinschaft Elchniederung
* In Klammern = Ergänzung von H.W.Nienke
Orte des Kirchspiels Kreuzingen |
||
Ortsname ab 1938 |
Ortsname bis 1938 |
Einwohner 1939 |
Altmühle |
Lankeningken |
190 |
Berkeln |
Messehnen, Plauschinnen, Willwohnen |
298 |
Borstehnen |
Borstehlischken |
16 |
Breitenhof |
Oschweningken |
97 |
Demmen |
Demmenen |
151 |
Eckwalde |
Bersteningken |
182 |
Finkenhof |
Petschkehnen |
136 |
Georgenforst |
Klein Ischdaggen |
104 |
Georgenheide |
Kletellen |
144 |
Gerhardsgrund |
Obschruten |
165 |
Gerhardsheim |
Lepienen |
150 |
Gerhardshöfen |
Weidgirren |
56 |
Gerhardswalde |
Gerhardswalde |
105 |
Gerhardsweide |
Liedemeiten |
202 |
Gobienen |
Gobienen |
112 |
Grenzberg |
Groß Aszmaggern |
358 |
Gronwalde |
Klein Girratischken |
248 |
Grünau |
Gründann |
287 |
Grünhof-Kippen |
Grünhof-Kippen |
76 |
Jagsten |
Jagsten mit Wingsnupönen |
272 |
Kämpen |
Kumpelken |
103 |
Kischen |
Kischen |
104 |
Kleingrenzberg |
Groß Wabbeln |
54 |
Kreuzingen |
Groß Skaisgirren |
2.256 |
Margen |
Margen mit Paossen |
119 |
Mühlenkreuz |
Makohnen |
229 |
Ossafelde |
Endrejen |
247 |
Parwen |
Parwischken |
197 |
Rutenfelde |
Wirblauken |
32 |
Schulzenwiese |
Schudledimmen |
358 |
Steilberg |
Basznitzkallen |
139 |
Tannenhöhe |
Schillehlen mit Wargutschen |
85 |
Vielbrücken |
Großwixwen |
163 |
Groß Girratischken |
660 |
|
Wegnersdorf |
Wegnerminnen |
18 |
Wihelmsbruch mit GutsbezirkWilhelmsbruch |
Wilhelmsbruch |
434 |
Wihelmsheide |
Wilhelmsheide |
234 |
Gesamt: 38 |
|
9.019 |
Zum Ortsplan OP554 Kreuzingen von Horst Schwerdt alle aufgeführten Straßen/Ortsteile/Namen von West nach Ost aufgelistet |
||
Ossafelder Straße |
Königsberger Straße |
Tilsiter Straße |
l Amtsgericht |
r Möbel Urschat |
l Uhrmacher Schäfer |
r Evangelische Kirche mit Friedhof |
r Stilger |
l Mittelschule |
r Wisbar |
l Konditorei Diesler |
l Witt |
r Lischitzki Gärtnerei |
l Post (Kämper Straße) |
r Rotkamm |
r Büttner |
Hauptstraße |
r Hotel |
r Bahnhof (weiter rechts) |
s Gemeindeamt/Alte Schule |
r Volksbank |
r Schorius |
s Buttermarkt |
r Dieck (Papier & BÜcher) |
r Groß |
s Gärtnerei Herrmann |
r Stringe Fleischerei |
Kämper Straße |
r Polizei (Schlänger) |
r E. Welsch |
l Gerdewischke |
r Apotheke & Drogerie Amelung |
r Dill |
l Post |
s Hotel Bandßus (Kino) |
r E. Bramann |
l Konditorei Dieser |
s A. Diester & Café Markschieß |
Neue Straße |
l Meierei |
s Irrgang & Jankowski (Papier & Bücher) |
Evangelisch-Lutherische Freikirche (ELFK) |
r Schule |
s Landmaschinen Brommauer |
|
r Schneider |
s Bendig Kolonialwaren |
Friedrichsdorfer Straße |
r Broscheit |
s Getreidemarkt |
l Evangelische Kirche |
Siedlung West |
s Gottschalk Eiskaffee |
l Sportplatz |
Krause |
s Dr. Jurkschat |
l Eierzentrale |
Gräsch |
s Hotel Krause |
l Niedrunger Mühlenwerke |
Schwerdt |
s Paesler Elektro |
l Kallweit Verbindungsstraße |
Baltrusch |
s Mühlenwerke Alwin Wisbar |
l Groß Verbindungsstraße |
Tiltmann |
n Kaufhaus Grodßinsi |
l Schories Verbindungsstraße |
Spang |
n Paesler ab 1938 |
r Pfarrhaus |
Spagat |
n Elektro Krause |
|
Randßus |
n Sonnenberg |
|
Nauwartat |
n Schuhladen |
|
Klein |
n Furchert |
|
Vangehr |
n Manufaktur Reifenberger |
|
Kattenberg |
n Pferde- und Schweinemarkt |
|
Ennulat |
Siedlung Ost |
|
|
Blant |
|
|
Matschullat |
|
|
Bahnhof Kleinbahn nach Insterburg |
Legende: |
Zum Ortsplan von Wartenhöfen von R. Schneidereit alle aufgeführten Straßen/Namen von Süden nach Norden aufgelistet |
||
Hauptstraße nach Groß Friedrichsdorf |
noch Hauptstraße |
s Saperautski |
l Baltruweit |
l Kujelies |
s Mattßiet |
l Bahnhof |
l Ambrasius |
s Angelmüller |
l Niederunger Mühlenwerke |
l Augustin |
n Ollsteit |
l 1. Querweg |
l 6. Querweg |
n Arndt |
s May |
s Gugat |
n Batutzki |
n Treinies |
s August Alex |
n Glubert |
n Kalweit |
s Hindßus |
n Stallßus |
n Groß |
n Adamat |
n Bogdan |
l Stennull |
n Szarrat |
r Wabbels |
l Beutler |
n R. Schneidereit |
r 2. Querweg nach Paossen |
l 2. Querweg |
n Zong |
s Bastigkeit |
keine Namen |
n Korindt |
n Geschwendt |
l Treinies |
n Gelies |
n Brygedda |
l Matzick |
n Buttgereit |
n Hasinger |
l 3. Querweg |
n Kirschning |
n Abzweig vom 2. Querweg nach Norden |
s Matthes |
n Siebert |
l E. Hofer |
n Friedhof |
l O. Schneidereit |
l Pucknat |
n Baumgart |
l F. Schneidereit |
l Abroweit |
l Neumann |
l Kummetz |
l Raudßus |
l Stanscheit |
l R. Schäfer |
l Hinz |
l Sudau |
|
l Janz |
l Raudies |
r Rechte Seite Hauptstraße im Süden |
l Alinski |
l 4. Querweg |
r Dietrich |
r Saperautski |
n Rupenus |
r Kricklies |
r Naujok |
n Schweißing |
r Zerrath |
r Tiedemann |
l Dank |
r Petereit |
r F. Schurkus |
l 5. Querweg nach Ossafelde |
r Steinbeck |
r E. Schurkus |
s O. Höfer |
r Westphal |
r Hayet |
s H. Alex |
r Barkowski |
r Bajorat |
s Schrader |
r Koppitz |
r Pettoschka |
s Scherdeit |
r Lorenschat |
r Schulz |
n Szillat |
r 1. Querweg |
r Parakenings |
n Baumeister |
s Wiese |
r Rorinth |
n Tuttlies |
s Barries |
r Jadeit |
Legende: l – links, r – rechts, n – nördlich, s – südlich