Kuckerneese
Im Norden, zwischen Gilge und Rußstrom, liegt der Marktflecken Kuckerneese, die größte Gemeinde im Kreis Elchniederung. Das Kirchspiel Kuckerneese umfasst weitere 16 Gemeinden mit insgesamt 7.208 Einwohnern:
Die Ursprünge der einstigen Zollhebestelle Kuckerneese fallen zurück in die Zeit, als Albrecht von Preußen, letzter Ordenshochmeister und erster weltlicher Herzog, das Land beherrschte, nämlich um 1450. Derzeit hatte sich von dem nördlichsten Bogen der Alten Gilge (die spätere Gilge wurde erst im 17. Jahrhundert zwischen Sköpen und Seckenburg begradigt) ein Abfluß nach dem Rußstrom gebildet, der zunächst Normedie, dann Kuckerneese und schließlich Kauke genannt wurde. Dieser Abfluss drohte die Gilge zu versanden und somit für den Schiffsverkehr unbrauchbar zu machen, so dass schließlich die Kauke abgesperrt wurde.
Um diese Zeit entstand an der Kauke zwischen Gilge und Ruß die Siedlung Kaukehmen („Dorf an der Kauke“).
Mit der Eindeichung des Memeldeltas im 19. Jahrhundert und dem Bau des Haffdeiches um die Jahrhundertwende erfuhr die Landwirtschaft einen gewaltigen Aufschwung, der sich auch auf die weitere Entwicklung von Kuckerneese und Umgebung auswirkte. Größere Güter waren die Staatsdomäne Kuckerneese mit 1200 Morgen, das Gut Klein-Trumpeiten mit 900 Morgen, Neuhof mit 400 Morgen, das Gut Caplanischken mit 300 Morgen und weitere Höfe in Sköpen, Trumpeiten, Allgawischken und Sausseningken in der Größe von 300 – 500 Morgen.
Mehrere Güter, so auch die Staatsdomäne Kuckerneese, wurden in der Zeit von 1910-1930 aufgesiedelt, d.h. an Kleinsiedler verkauft oder verpachtet. So entstanden die Siedlungen an der Damm- und Chausseestraße.
Die Evangelische Kirchengemeinde verfügte mit rund 100 ha über den größten Grundbesitz in Kuckerneese. Die südliche Hälfte des Gemeindeareals wurde teils verpachtet, teils 1903 parzelliert. In dieser Zeit entstanden an den neuen Straßen Wilhelmstr., Bahnhofstr. und Schulstr. Zahlreiche 5geschossige Wohn- und Geschäftsgebäude. Auch die Hindenburg-Schule ist auf ehemaligem Kirchenland 1929 erbaut worden. Jenseits der Kauke entstand in den 30er Jahren auf ehemaligem Kirchenland die Siedlung Winge.
Die erste Kirche wird um die Hälfte des 16. Jahrhunderts, erbaut auf einem Hügel, erwähnt. Diese musste 3 mal durch Neubauten ersetzt werden, da alle aus Holz gebaut waren und wegen Baufälligkeit abgebrochen werden mussten. Erst 1702 entstand ein massiver Bau. Leider fiel er 1904 einem Großbrand anheim, bei dem das Innere des Kirchenschiffes und des Turmes völlig ausbrannten. Am 9. Dezember 1909 konnte das neue Gotteshaus eingeweiht werden – für 150Hindenburgschule in Kuckerneese (existiert nicht mehr)0 Besucher vorgesehen und mit 1000 Sitzplätzen ausgestattet.
In den Räumen der bereits erwähnten modernen Hindenburg-Volksschule (1944 ca. 800 Schüler) waren auch die gewerbliche Berufsschule und die Haushaltungsschule untergebracht. Weitere Volksschulen außerhalb der Gemeinde waren in Kloken, Alt Sellen, Neusorge K., Schlichtingen und Warskillen. Eine „Höhere Knaben- und Mädchenschule“ gab es für die Schüler bis zur Obertertia.
Diese Schule in der Hafenstraße wurde später als selbständige Mittelschule ausgebaut. Das ehemalige Gutshaus der Domäne wurde 1938 (bis dahin Hotel und Restaurant) zur Lehrerbildungsanstalt mit Internatsbetrieb umgebaut. In Milchhof richtete man in den 30er Jahren eine Molkereifachschule ein. Die Gemeinde Kuckerneese bildete mit ihrer relativ hohen Bevölkerungszahl auch den wirtschaftlichen Mittelpunkt des Memeldeltas. Die größeren Kirchdörfer Schakendorf, Herdenau und Karkeln sowie Skören und nach 1939 auch die nördlich des Rußstromes gelegenen Ortschaften im Memelland waren in wirtschaftlicher Hinsicht nach Kuckerneese ausgerichtet. Die Bevölkerung dieses gesamten Gebietes brachte zum größten Teil ihre vorwiegend landwirtschaftlichen Produkte nach Kuckerneese und tätigte dann ihre Einkäufe. An den Markttagen (an jedem Mittwoch) herrschte besonders lebhafter Verkehr. Die Gemeinde Kuckerneese war gewissermaßen ein kleines Landstädtchen (wenn auch nie mit Stadtrecht), das in weitestem Maße von dem Wohlergehen der sie umgebenden Landwirtschaft abhängig war.
Industrie war nämlich so gut wie nicht vorhanden. Die Bevölkerung setzte sich aus Landwirten, Kaufleuten, freien Berufen, Handwerkern, Beamten, Angestellten und Arbeitern zusammen, die es durch ihren Fleiß zu einem gewissen Wohlstand gebracht hatte. Die prunkvollen Geschäftshäuser rings um den 2 ha großen Marktplatz verliehen dem Ort ein schon kleinstädtisches Aussehen. Zwei Hotels, drei Cafes und 13 Gast- und Schankbetriebe versorgten die auswärtigen und hiesigen Gäste.
16 Lebensmittelhandlungen, 6 Textilgeschäfte, 7 Bäckereien, 7 Fleischereien, 4 Schuhgeschäfte und 9 Schuhreparaturwerkstätten, 3 Drogerien, 6 Tischlereien, 2 Klempnereien, 3 Bauunternehmer, 2 Glasereien, 5 Maler und Tapezierer, 3 Schmieden, 2 Stellmacher, eine Böttcherei, 8 Schneidermeister, 3 Sattlermeister, 6 Friseure und viele andere Geschäfts- und Handwerksbetriebe waren in der Gemeinde Kuckerneese beheimatet.
Bedeutungsvoll für den Ort und insbesondere für die Wirtschaft waren u.a. auch die vorhandenen Behörden und öffentlichen Einrichtungen, wie das Amtsgericht und die Nebenstelle der Reichsbank. Auch die Gasanstalt ist zu erwähnen.
Vielfältig war auch das kulturelle Leben im Ort: Bis 1933 führte das Tilsiter Stadttheater und das Ostpreußische Landestheater ständige Gastspiele mit Theater- und Operettenaufführungen durch. Ein in den 30er Jahren in der Tilsiter Straße neu erbautes Lichtspielhaus für max. 600 Personen war mit den modernsten Geräten ausgestattet. Das Vereinsleben blühte in hohem Maße: Der Männergesangverein, der Arbeitergesangverein, der Männerturnverein, der Handwerkerverein, der Kriegerverein und der evangelische Arbeiterverein sorgten für ein reges geselliges Leben.
Kuckerneese war auch verkehrsmäßig recht gut an das Umland angeschlossen: Vom Großbahnanschluss Groß Brittanien wurde 1904/05 von der Ostdeutschen Eisenbahngesellschaft die Kleinbahnstrecke über Neukirch nach Kuckerneese gebaut und 1906 von Kuckerneese nach Karkeln verlängert. Die Kleinbahnverwaltung hatte 1934 zur schnelleren Personenbeförderung zusätzlich zur Kleinbahn Kraftomnibusse bis Tilsit eingesetzt, die 6x täglich in beiden Richtungen verkehrten.
Am 16.7.1938 erhielt die Gemeinde wieder den uralten Namen Kuckerneese zurück. Letzter Bürgermeister von Kuckerneese war Kurt Sturies, der 28 Jahre lang die Geschicke der Gemeinde leitete. Am 12. Oktober 1944 ordnete die Kreisleitung der NSDAP die Evakuierung der Zivilbevölkerung an, 6 Tage später auch die Räumung der Behörden und Betriebe. Die Bevölkerung aus der Landwirtschaft zog mit Trecks vorerst nach dem Kreis Heiligenbeil, im Januar 1945 weiter auf der Flucht vor den sowjetischen Truppen in Richtung Westen. Die gesamte übrige Bevölkerung wurde mit der Eisenbahn nach Sachsen evakuiert.
Entnommen aus dem Bildband „Die Kirchengemeinden Kuckerneese und Skören Kreis Elchniederung“
herausgegeben von der Kreisgemeinschaft Elchniederung e.V.
Orte des Kirchspiels Kuckerneese gegründet 1576 |
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Ortsname ab 1938 |
Ortsname bis 1938 |
Einwohner 1939 |
Letzter Bürgermeister |
Allgau |
Klein Allgawischken |
67 |
Max Keiluweit |
Alt Sellen |
Alt Sellen |
147 |
Paul Jagst |
Gilgetal |
Wietzisehken |
285 |
Ernst Eigenfeld |
Kloken |
Kloken |
375 |
Ernst Schaar |
Kuckerneese |
Kaukehmen |
4.492 |
Kurt Sturies |
Lischau |
Lyscheiten |
132 |
Gustav Werner |
Milchhof |
Sausseningken |
176 |
Fritz Stantien |
Neu Sellen |
Neu Sellen |
59 |
Wilhelm Brinlinger |
Neusorge K. |
Neusorge K. |
76 |
Wilhelm Friederici |
Schlichtingen |
Groß Allgawischken |
147 |
Johann Trumpjahn |
Sköpen |
Sköpen |
414 |
Bruno Reimer |
Skulbetwarren |
Skulbetwarren |
142 |
Bruno Beyer |
Skuldeinen |
Skuldeinen |
118 |
Eugen Kleinert |
Sommershöfen |
Baubeln |
72 |
Otto Naujeck |
Stellwagen |
Usseinen |
193 |
Kurt Saunus |
Trumpenau |
Trumpeiten |
181 |
Paul Noetzel |
Warskillen |
Warskillen |
132 |
Albert Meyer(?) |
Gesamt: 17 |
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7.208 |
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Historisch gehörten bis 1920 nachfolgende nördlich vom Rußstrom gelegene Dörfer zum Kirchspiel, danach zu Heydekrug: |
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Groß Schilleningken |
Groß Schelleningken |
Ca. 15 Familien; < 50 |
Zur Gemeinde Heinrichsfelde |
Heinrichsfelde |
Heinrichsfelde |
479 |
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Klein Schilleningken |
Klein Schilleningken |
< 40 |
Zur Gemeinde Heinrichsfelde |
Leitgirren |
Leitgirren |
171 |
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Hier finden Sie über 21.000 Personen: https://online-ofb.de/kaukehmen/ |
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Erfasst sind jetzt 21.320 Personen zwischen 1672 (Einzeljahrgang), 1696-1750 (noch unvollständig) und 1750-1800 (vollständig). |
Diesen Ortsplan finden man auch im Bildarchiv Ostpreußen. Dort wird er zur Verortung der einzelnen Fotos verwendet.
So können Sie Fotos, bei denen die genaue Anschrift bekannt ist, deren genaue Lage erkennen.
Im Bildarchiv von Ostpreußen finden Sie zu den Fotos von Kuckerneese als Anhang ein Einwohnerverzeichnis mit Telefonbuch sowie allen Postangestellten.
Ein Versuch lohnt!