Neukirch

Neukirch hat eine lange Geschichte. Es gehörte ursprünglich zu einem Gebiet, das um 1600 als der “morastige Wald” beschrieben wurde. Das Kirchspiel Joneykischken (Joneikischken) wurde schon 1651 gegründet. Rosina von Hallen ließ auf dem Berg Jonischkeiten 1650 bis 1670 die erste hölzerne Kirche erbauen, die bereits 1717 einem Brand durch Blitzschlag zum Opfer fiel. Erst die zweite Kirche (…..Neukirch), mit wuchtigen Mauern aus Feldsteinen errichtet und 1740 geweiht, blieb erhalten. Sie stand zunächst noch unter dem Privatpatronat von Hallenscher und anderer Familien und wurde dann durch Rezess vom 2. März 1651 als das Kirchspiel Neukirch als solches gegründet. Es gelangte 1739 nach Aufkauf durch den Staat unter Königliches Patronat. Die Neukircher Kirche, wie wir sie kannten blieb als Wahrzeichen erhalten, bis sie am 29. April 1995, also nach 255 Jahren abbrannte. Es blieben nur geschwärzte Mauern, und ein Getreuer barg aus der Asche eine Anzahl handgeschmiedeter Nägel, wohl aus der Zeit um 1740 – stummer Zeugen von Neukirchs so langer Geschichte.
Im Zentrum des Kreises Elchniederung gelegen, zählte Neukirch 1939 für sich allein 1589 Einwohner. Das Kirchspiel umfasste noch 34 Landgemeinden mit insgesamt 3780 Einwohnern. Die acht Schulen des Kirchspiels befanden sich in Neukirch, Oswald, Heideckshof, Lentenbude, Lindendorf, Gilkendorf, Wolfsberg und Bolzfelde.

Eine gute Verkehrsanbindung war für Neukirch nicht nur wirtschaftlich von großem Vorteil. Es profitierte davon, dass beide Kleinbahnlinien, die nach Seckenburg und auch die nach Kuckerneese – Karkeln über den Neukircher Bahnhof verliefen. Hinzu kamen die Buslinien Tilsit-Brittanien-Kuckerneese-Karkeln im Norden sowie im Westen nach Heinrichswalde-Seckenburg. Und die Nähe des Bahnhofs Gr. Brittanien an der Reichsbahnlinie Tilsit-Labiau-Königsberg erleichterte den Zugang zu den Fernverbindungen.
Die Neukircher Volksschule umfasste die Gemeinden Neukirch, Rokitten, Kleinrokitten und Kurwensee. Neben der sechsklassigen Volksschule (außerdem zwei gehobene Klassen für den weiterführenden Schulbesuch) in der 1930 erbauten stattlich-modernen neuen Schule hatte Neukirch seit 1940 eine selbständige Mittelschule. Der Schulunterricht endete wegen der Kriegsereignisse im Herbst 1944.

Neukirch besaß wegen seiner zentralen Lage ein lebhaftes Vereins-, Markt- und Geschäftsleben. Es war Mittelpunkt der Pferdezucht im Kreise, Sitz der Kreisbauernschaft, der Köllmischen Feuerversicherung und des Linkuhnen-Seckenburger Entwässerungsverbandes. Die Milchwirtschaft am Ort und in den umliegendID7344-Neukirch-Gesamtansichten Dörfern war die Grundlage u.a. für die Produktion von Tilsiter Käse in der modernen Molkereigenossenschaft. An jedem Freitag fand der Wochenmarkt statt. Neukirch besaß bereits 1903 als erster Ort im Kreis eine Straßenbeleuchtung mit Azetylen- Lampen.
Neukirch besaß Hotels, Gastwirtschaften, Post- und Fernmeldeamt, Banken, Apotheke, zahlreiche Geschäfte, eine Maschinenfabrik, ein Kalksteinwerk, eine Kartoffelflockerei und Handwerksbetriebe aller Art. Durch seine geschlossene Bebauung machte es den Eindruck einer Kleinstadt.

Am 10. Oktober 1944 erhielt Neukirch wegen der heranrückenden Front den Räumungsbefehl. Die meisten Einwohner – vorwiegend Frauen und Kinder – verließen ihren Heimatort mit der Bahn und wurden nach Sachsen evakuiert. Die Landbevölkerung machte sich – nach oft viel zu spät erteilter Erlaubnis – mit Pferd und Wagen auf den langen, beschwerlichen und gefahrvollen Weg in die Ungewissheit nach Westen. Er wurde vielen zum Verhängnis.
Am 16. Januar 1945 mussten auch die mit dem Volkssturm zurückgebliebenen Männer Neukirch verlassen. Die noch verbliebenen oder später wieder zurückgekehrten Menschen machten bis zu ihrer endgültigen Ausweisung 1948 sehr schlimme Zeiten durch. Das von der Sowjetarmee besetzte und damals noch weitgehend erhalten gewesene Neukirch fällt immer mehr der Misswirtschaft, Verwahrlosung, dem Verfall und dem Abbruch des größten Teils der Gebäude zum Opfer. Es blieben fast nur noch Ruinen, und die meisten Bauernhöfe sind inzwischen verschwunden. Alles Deutsche verschwindet systematisch. Die Bürgersteige wurden ihrer Platten beraubt, die Straßenlaternen sind ohnehin entfernt – wie auch das Straßenpflaster. Verblieben ist nur noch die Durchfahrtsstraße. Von den Wahrzeichen Neukirchs verschwand 1998 die Neue Schule. Von dem Verkehrsnetz ist wenig übrig geblieben. Die Bewährte Kleinbahn wurde demontiert. Die Großbahn von Königsberg nach Tilsit endet jetzt in Brittanien, führt also nicht weiter bis Tilsit. Das noch vorhandene Hotel Deutsches Haus und das Bahnhofsgebäude als Orientierungspunkte verfallen zusehends.
Neukirch heute Timirjasewo, wurde von der sowjetischen Verwaltung nach einem berühmten russischen Agrarwissenschaftler benannt.

Orte des Kirchspiels Neukirch

Neuer Ortsname 1938

Alter Ortsname

Einwohner 1938

Adelau

Adlig Kreywehnen

58

Aschenberg

Aschenberg

73

Bolzfelde

Bogdahnen

104

Bolzhagen

Neu Bogdahnen

113

Brittanien

Brittanien

334

Doblienen

Doblienen

64

Gilkendorf

Gilkendorf

94

Grüneberg

Brüneberg

111

Heideckshof mit Klein Heideckshof, Gronswalde

Skirbst mit Adlig Althof-Skirbst, Adlig Groß Skirbst, Köllmisch Skirbst

220

Herrendorf

Dwarehlischken

144

Hoheneiche

Buhlischken

128

Hohenwiese mit Lausberg

Hohenwiese, Lausberg

147

Ibenberg

Ibenberg

111

Johannsdorf

Johannsdorf

99

Kleinrokitten

An Rokeiten

29

Kleinwarschen

Pawarszen

76

Kurwe

Uszkurwe

22

Kurwensee

Allekneiten

85

Lakendorf

Lakendorf

135

Langenberg

Langenberg

82

Leitwarren

Leitwarren

67

Lentenbude

Lentenbude

81

Lessen

Lessen

68

Lindendorf

Lindendorf

134

Mägdeberg

Mägdeberg

110

Neuendorf

Neuendorf

161

Neufrost

Neufrost

184

Neukirch

Neukirch

1.589

Oswald mit Gut Eichholz

Bartscheiten mit Gumbehlischken

220

Rokitten

Rokaiten

91

Schönohr

Schönohr

57

Selsen

Seiseningken

82

Stobingen

Stobingen

120

Wolfsberg

Wolfsberg

148

Wolfsdorf

Wolfsdorf

128

Ziegelberg

Ziegelberg

134

 Gesamt 36

 

4.503