Meine familiäre Verbindung zu Ostpreußen kommt aus der väterlichen Linie. Mein Vater, 1920 in Atmath (Kreis Heydekrug) geboren, aufgewachsen vorwiegend in Heinrichswalde, in dessen Umgebung viele Familienmitglieder lebten, lernte er während des Krieges in der Holledau meine Mutter kennen und wurde ein Bayrischer Ostpreuße. Dieses hinterließ einen sehr prägenden Eindruck bei mir, denn er war, trotz sprachlicher Anpassung, immer ein Ostpreuße geblieben.
Verstehen konnte ich so vieles an meinem Vater erst dann, nachdem ich das erste Mal die „Heimat“ Ostpreußen gesehen habe. Die erste Reise war 2014, nur in Begleitung einer Arbeitskollegin, was sehr abenteuerlich war. Fasziniert und gefangengenommen hat mich dieses Land vom ersten Tage an, da ich es sehen und betreten durfte, und es war mir klar, dass dieses nicht die einzige Reise sein konnte. Die nächsten Jahre fuhr ich mit Grund-Reisen und lernte so viele Ostpreußen und Ostpreußenliebhaber kennen, die mir dieses Land mit den Menschen von einst und den Menschen von heute immer näherbrachten. In diesem mir so lange unbekannten Land durfte ich Lieblingsplätze finden und wertvolle Menschen kennenlernen.
Ich sehe in der Arbeit der Kreisgemeinschaft Elchniederung einen wichtigen Beitrag, die Menschen die einst dort lebten, in Zukunft nicht vergessen zu lassen, ihre Geschichte und die Geschichte dieses Landes wahrheitsgetreu an die Jugend und an die Nachkommen weiterzugeben. Dabei geht es um ganz Ostpreußen. Jedes Kirchspiel, jede Stadt und jede geologische Einmaligkeit ist dabei wichtig und gibt ein ganzes Bild. Die Generation, welche noch dort aufwachsen durfte, sieht vielleicht die Heimat in der Größe, wie der Lebensradius für jeden Einzelnen damals war. Doch die nachfolgenden Generationen können dieses Land nur noch im Ganzen betrachten. Es ist wichtig, am Geburtsort der Eltern/Großeltern sitzen zu können und dann die oftmals spärlichen Geschichten, welche einem vermittelt wurden, lebendig werden zu lassen. Wenn man dann feststellt, es ist zu wenig, was man weiß, dann hört man andern Ostpreußen zu, setzt es zusammen wie ein Puzzle und bekommt ein Gesamtbild von dem wirklichen Osten Deutschlands. Es ist schon sehr viel Arbeit in den letzten Jahrzehnten von der Kreisgemeinschaft Elchniederung und den hervorragenden Reiseleitern geleistet worden, so dass ich diese Früchte bereits bei meiner ersten privaten Reise ernten konnte, auch wenn ich das zu diesem Zeitpunkt noch nicht wusste.
Die jetzige politische Lage erschwert die Pflege der gebauten Brücken zur heutigen Bevölkerung und verhindert Verständigung (Verständnis) und Austausch. Die Zukunft Ostpreußens wird an solchen Menschen hängen, welche sich noch ihrer Familien erinnern und nachfragen und an solchen Menschen, welche sich an die Geschichte erinnern und diese weitergeben. Dazu gehören auch und gerade in dieser Zeit, Menschen, die mit ihrem wachen Geist offen für Vergangenes, offen für die Wahrheit (ein Wort, was ich sehr oft von meiner ostpreußischen Oma hörte) der Deutschen Geschichte fündig werden wollen. In meinem Stellvertreter, Herrn Hubert Geiger, habe ich so einen Menschen an meine Seite bekommen, er erklärt die Natur Ostpreußens mit dem wachen Auge eines Försters, gleichzeitig sind ihm die Menschen sehr wichtig, seien es die Ahnen, welchen wir diesen herrlichen Waldbestand in Ostpreußen verdanken, oder seien es die Menschen, welche die Pflege der Landschaft heute übernommen haben.
Besonders sei noch der Ostpreußen gedacht, welche von ihrer Zeit in der Elchniederung erzählen können, auch von denen erzählen können, die heute nicht mehr unter uns sind. Es wäre sehr wichtig für mich, eine gute Verbindung mit all diesen Mitgliedern aufzubauen. So wünsche ich mir für die Zukunft im Kirchspiel Seckenburg, viele aufklärende Reisen und Vorträge mit Herrn Geiger, die das alte Heimatland, für die einst so menschenunwürdig Vertriebenen, sowie für die folgende Generation wieder lebendig machen. Ich wünsche mir, dass mehr Deutsche von den Arbeitsfrüchten de Kreisgemeinschaft Elchniederung und ihren Ostpreußen erfahren und profitieren können, dass eine Gemeinschaft bleibt, die zusammensteht.
Renate Seyb geb. Zablowsky
geb. 05.03.1956
Freischützstr. 82b, 81927 München
September 2021
Heimatbrief Nr. 74, Weihnachten 2021