Reise im Winter 2023 nach Ostpreußen

Anfang 2020 war ich zuletzt in Ostpreußen. Im Heimatbrief Nr. 74 hatte ich berichtet über das Haus von meinem Onkel in Liedemeiten /Gerhardsweide, heute Ochotnoje. Anfang Februar 2023 war ich nun wieder da.

Um 2.00 Uhr am 31.01. 2023 bin ich in Sparrieshoop los gefahren über Segeberg auf die A 20, auf der A 11 an Stettin vorbei und auf die A 6 /E 28. Alles super ausgebaut ohne Mautgebühr. Nur um Köslin noch eine Umleitung, danach um Stolp herum Richtung Danzig über Elbing nach Mamonowo 2. Um 14.15 Uhr habe ich an der Grenze Polen/ Rußland Geld gewechselt, Kurs 1,00 Euro für 62 Rubel. Im Schalter war ich das einzige Fahrzeug. Klar, wer fährt schon nach Rußland, das mit der Ukraine im Krieg ist. So eine nette Abfertigung vom polnischen und den russischen Zöllnern habe ich noch nie erlebt. Um 14.35 Uhr bin ich durch. Die Zöllnerin fragte mich, warum ich denn nicht schon 2021 und 2022 gekommen war, mein Visum sei doch auch in den Jahren gültig gewesen. Ich habe Ihr geantwortet, ich wollte keine Corona Bazillen über die Grenze transportieren. Ein Lächeln war da nur ihre Antwort. Als ich an der ersten Tankstelle vorbei gefahren bin habe ich mich geärgert, dass ich in Polen noch voll getankt hatte.1.65 Euro pro Liter Super, hier nun 85 Cent für 1 Liter Super Benzin. Problemlos ging es über die E28 weiter nach Königsberg, wo ich auf der A229 Königsberg praktisch links liegen lasse, bemerken möchte ich noch, super ausgebaute mehrspurige Straßen in Polen und im russischen Bereich.

Bei Tablacken abbiegen auf die A216, eine Landstraße im sehr guten Zustand bis Groß Skaißgirren /Kreuzingen, heute Bolsakovo. Schön um den Kandelaber fahren, der noch zur deutschen Zeit eine Uhr und die Volksbankwerbung hatte. Diesmal sind alle 3 Lampen heil. In Höhe früher Sandlauken /Sandfelde heute Novokolznoe abbiegen nach Heinrichswalde, heute Slavsk.

Auf der linke Straßenseite eine große Überraschung: Es stehen große Gebäude hinter hohen Mauern. Ein Männerkloster. 2020 war nur das Frauenkloster mit der Straußenfarm und den Vogelpark zu sehen. In Heinrichswalde fahre ich natürlich zur Verwaltung, um den großen Elch aus Hufeisen zu fotografieren. Es ist ja noch hell. Abends ist er mit sehr vielen kleinen Lichtern beleuchtet.

Vorbei am Freibad, das neu erstellt wird. Boden und Wände sind schon betoniert. Um 17.00 Uhr nach dortiger Zeit fahre ich nach 12 Stunden Autofahrt selbstverständlich mit erforderlichen Pausen auf dem Hof von Nadja und Alik Misksta. Das Tor ist schon offen, Essen steht auf dem Tisch.

Nach dem Abendbrotessen noch ein Schlubberchen und gute Gespräche mit Lydia Lobakia, die als Dolmetscherin tätig ist und die mich auch die nächsten Tage begleitet hat. Am nächsten Tag bin ich allerdings alleine durch Heinrichswalde gelaufen.

Ich wurde freundlich gegrüßt, von Krieg wurde, wenn ich in den Geschäften was verstanden habe, nicht gesprochen. Das hatten mir ja auch schon Alik und Lydia gesagt: Krieg ist weit weg, hier ist alles gut. Es hat sich vieles zum Besseren getan in Heinrichswalde. Straßen sind schon ausgebaut. Über den Hufeisenpark hat Barbara Dawideit ja schon berichtet im Heimatbrief Nr. 76. Es ist wirklich schön anzusehen, was dort neben der Kirche entstanden ist.

Leider hat es geregnet und so bin ich bin dann mit den Plüschtieren, die ich mitgebracht hatte, zu der Schwester Barbara von der Diakonie Puschendorf gefahren. Sie unterhält dort ein Waisenhaus. Ihre Kinder sind inzwischen zwar alle groß, aber die Sachen nimmt sie dann für die Kinder der Kirchenmitglieder mit. Es wurde bei Tee lange über die Probleme der Welt gesprochen. Leider wird sie auch demnächst ihre Tätigkeit aufgeben.

Für den nächsten Tag war der Besuch in Gehardsweide im Kindergarten und in dem ehemaligem Haus meines Onkel Albert vorgesehen.

Es hatte über Nacht etwas geschneit aber die Straßen waren schon wieder geräumt. Schon der Empfang war so herzlich, weil einige der Kinder mich noch kannten, selbst Lydia war überrascht über so viel Freude der Kinder. Ich habe mir dann die Ausstattung des Kindergartens angesehen. Schlafraum, Unterrichtsraum, Spielraum, Küche und Personalräume in der oberen Etage mit einem Büro für die Leitung, die heute leider nicht da war. Jedenfalls habe ich in unserem Dorfkindergarten keine Elektronische Wandtafel mit Beamer und IPad gesehen. Als ich dann die Kartons mit den Plüschtieren und den Spielsachen, die ich von der Sparkasse gespendet bekommen hatte einfach auf den Boden stellte war es wunderbar anzusehen, dass es keinen Streit um irgend ein Teil gab, es wurde einfach getauscht.

Als ich dann noch erzählte, dass in diesen Haus mein Onkel Fritz gewohnt hatte, es gehörte zur Mühle auf der anderen Straßenseite, wurde uns Tee und Gebäck angeboten und wir mussten uns an einen Tisch setzen. Die Kinder stellten sich auf und sangen uns ein Lied. Zum Abschied mussten wir uns regelrecht von den Kindern befreien, sie umarmten uns immer wieder.

Nun wollte ich zum Haus vom Onkel Albert.

Vor dem Haus war ein Mann, der an einem Auto bastelte. Es stellte sich heraus, dass er der Schwiegersohn ist. Er hätte zwei deutsche Autos, wenn eines nicht fährt, nimmt er das andere und repariert das andere selbst. Sein Beruf ist Busfahrer und er fährt die Kinder mit einem Bus zur Schule. Im Haus wurde uns sofort Tee und Kuchen angeboten. Die Hausbesitzer kannten mich ja schon von etlichen Besuchen. Die Tochter, die jetzt mit ihren zwei Kindern hier mit wohnt, erklärte uns, dass eben Ihr Mann und sie das Haus renovieren konnten, weil ihr Mann gut Geld verdient. Im Haus waren 95 % Luftfeuchtigkeit. Als ich Ihnen nun erklärte, dass die Bohlen verfaulen würden, machte der alte Mann gleich ein Fenster auf. Er würde auch dafür sorgen, dass eine Lüftung eingebaut wird. Nach einer Hausbesichtigung gab es noch etwas für die Kinder und Frauen. Das Haus wird immer noch mit einem Holzofen geheizt.

Von Gehardsweide fuhren wir nach Tilsit.

Wir hatten uns mit Herrn Kent verabredet, den ich ja am Vortag nicht im Museum angetroffen hatte. Lydia hatte mit ihm telefoniert. Er war im Sanatorium zur Erholung. Die ehemaligen Lungenheilanstalt von Tilsit ist heute ein Sanatorium. Pünktlich um 13.00 Uhr standen wir vor dem Tor und Herr Kennt war auch da. Er berichtete, weshalb die Kirchensanierung im Moment nicht weitergeht. Die Dach-Neueindeckung war nicht eingerechnet gewesen im ersten Entwurf und müsste nun von Moskau neu genehmigt werden, was wohl ein Jahr Verzögerung bedeutet. Ich berichtete ihm, daß wir nun eine Orgel hätten und ich auch demnächst beim Abbau helfen würde. (Was inzwischen auch geschieht.)
Da nun aber noch kein Fußboden und noch nicht alle Fenster geschlossen sind, müssen wir die Orgel zwischenlagern. Es fing an etwas zu schneien. Leider durften wir nicht ins Gebäude, so verabschiedeten wir uns. Um 15.00 Uhr hatte ich mich ja mit meinem Freund Jevjeni von Deutschland aus in Tilsit verabredet. Er arbeitet beim Besitzer des Deutschen Haus in Ragnit, dem auch die Käserei gehört und der die Burg renoviert. Er organisiert auch die Ritterspiele in der Burg. Natürlich wurde eine Besichtigung bei Schneetreiben durchgeführt.

Der Abschluss fand in der Gaststätte in der Nähe von Bambe /Heideanger bei einer großen Käseprobe statt. Hier hat sich ein kleines Ferienhausgebiet entwickelt, in einem Keller reift der Käse. Der Abend endete bei Jevjeni in seiner Wohnung in Tilsit, die in der Hohen Straße liegt. Man muss sie über vier Etagen erklimmen. Er sagt mir immer er hätte lange gesucht um eine alte deutsche Wohnung zu bekommen, die Etagen sind vier Meter hoch. Für Lydia und mich schon anstrengend. Aber ein reichliches Abendbrot hatte seine Frau für uns bereit. Anschließend haben wir eine Animation von der Burg gesehen. Wir haben uns gefragt, wer soll das bezahlen. Was wir aber schon in Natura gesehen hatten lässt uns glauben, dass das wahr wird.

Für den nächsten Tag ist Königsberg und Kranz angesagt.

Ohne Problem finde ich mitten in Königsberg die Wohnung von Diana Oblakova und Ihren Mann Eugen, der uns das Tor aufmacht, obwohl er uns versichert, wir brauchen keine Angst zu haben, dass unser Auto auf der Straße nicht mehr stehen würde wenn ich weiter wolle. So bin ich froh, im einem gesicherten Bereich zu stehen. Nach einem reichhaltigen Frühstück gehen wir durch die belebte Stadt, es ist auch hier ist viel gebaut und verbessert geworden. Eugen hat mir dann noch eine Tankstelle gezeigt, wo ich für 78 Cent den Liter Superbenzin tanken konnte. Bei der Herfahrt hat mich schon der erhebliche Verkehr gewundert, ich musste ja mitunter von rechts nach links wechseln. Blinker raus und keiner hat gehupt, im Gegenteil es wurde nett gewunken zuzufahren. Allerdings sind nur drei Fahrspuren angezeichnet, aber es fahren mitunter fünf Autos nebeneinander. Kommt wohl, weil es die Busfahrspur gibt und die mitbenutzt wird. Die Straßenbahn hält dann auch schon mal an und die Fahrerin steigt aus mit einer Stange in der Hand um die Weiche von Schnee zu reinigen. Die Straßen und Brücken werden aber sofort nach Schneefall wieder gereinigt. Gewundert haben mich aber die vielen Renovierungsarbeiten, die ja schon zur Fußballweltmeisterschaft das Stadtbild erheblich verändert hatten. Es werden die Plattenbauten neu verkleidet, sehr viele große Neubauten und auch Einfamilienhäuser um Königsberg sind in den letzten Jahren entstanden. Auch ist das Autobahnnetz um Königsberg vorbildlich mit Beleuchtung und nicht nur mit einfachen Straßenlampen, sondern mit große Schmuckleuchten.

Für den späten Nachmittag hatte ich eine Verabredung in Kranz mit Frau Nonna Moskaljuk, der Leiterin von der Vorschule,die unsere Reisegruppen mit Ihren Kindern immer mit deutschen Liedern begrüßte, wenn wir in Kranz waren.

In ihre Schule durfte ich wegen neuer Vorschriften nicht rein, aber für sie hatte ich Malbücher und Plüschtiere mitgebracht. Sie hat mir inzwischen schon eine Mail geschickt, dass Sie den Kindern, wenn sie Geburtstag haben, ein Plüschtier von mir gibt.

Vielleicht habe ich dann wieder so ein Glück wie bei Olesya und Sergey, die mich von Besuchen hier im Kreis Pinneberg her über den Verein Selenograds wiedererkannt hatten und 2020 mich in der Fußgängerzone gesehen hatten und bei denen ich nun zum Abendessen verabredet war. Wir haben den Kontakt immer beibehalten, obwohl der Verein in Kranz verboten wurde und sich hier bei uns sich aufgelöst hatte.

Die immer noch mit Weihachsbeleuchtung grell ausgeleuchtete Stadt ist eine Bettenburg mit Hochhäusern geworden. Das für Jelzin gebaute Hotel direkt an der Promenade, welches zwar nie fertig wurde und dann zweimal brannte, wird nun endlich abgerissen. Cranz als Eingang zur Kurischen Nehrung, das Befahren kostet jetzt 17,50 Euro, ist mit Rauschen zusammen der Ferienort für Festland-Russen geworden, sagte mir die Mutter von Olesya, die einen kleinen Schmuckladen in Cranz hat. 2020 standen dort 16 Kräne. Die Häuser sind inzwischen alle fertig, nun standen noch 6 Kräne dort um weitere neue Hochhäuser zu bauen. Soviel zum Embargo. Die Pinneberger Freundschaftsallee gibt es auch nicht mehr in Cranz.

Nach dem üppigen Abendessen sind wir wieder nach Heinrichswalde gefahren. Nach zwei Stunden Fahrt waren wir endlich da. Im Dunkeln, auch bei guter Beleuchtung, muss man trotzdem sehr vorsichtig fahren. Wildzäune gibt es nicht und mitunter sind auch Fußgänger auf der Autobahn. Schafe sind mir auch schon begegnet. Den letzten Tag habe ich mit Alik in der Elchniederung nach Elchen gesucht. Es war von den Jägern eine Elchzählung angesetzt. Das wird jedes Jahr gemacht, damit die Entwicklung des Bestandes festgestellt werden kann. Am nächsten Tag 8.00 Uhr ab nach Hause. An der Grenze 8 Autos vor mir, eineinhalb Stunden Warterei. Ich bin durch beide Grenzen in zwanzig Minuten durch, zur Tagesschau bin ich wieder in Sparrieshoop.

Die Menschen, denen ich begegnet bin, haben mir die Hoffnung gegeben, dass unsere Freundschaft unter der Bevölkerung nicht durch politische Endscheidungen gestört wird. Deshalb werde ich auch weitere Reisen wieder machen und unser Ostpreußen auch unter russischen Herrschaft genießen.

Dieter Wenskat